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Hortst Seehofer – der Getriebene

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(pri) Horst Seehofer ist schon wieder im Wahlkampf – und bedient bayerische Stammtische

Der bayerische Ministerpräsident kann sich auf seinen Erfolgen nicht ausruhen. Er müsse »immer schon an die nächsten Wahlen denken«, verkündete er jüngst, und da gelte »das Gesamtinteresse Bayerns und der Christlich-Sozialen Union«. Zwar hat er gerade zwei beeindruckende Stimmergebnisse vorgelegt. Bei den Landtagswahlen am 15. September 2013 eroberte die CSU in Bayern die absolute Mehrheit zurück, indem sie die desaströsen 43,4 Prozent von 2008 wieder auf immerhin 47,7 Prozent anhob. Noch besser eine Woche später bei der Bundestagswahl. 49,3 Prozent der bayerischen Wahlteilnehmer machten bei der CSU ihr Kreuz; nach den 42,5 Prozent vor vier Jahren fast schon wieder eine Sprung in gewohnte Höhen.

 

Horst Seehofer genoss die Resultate. »Die Identität zwischen Bayern und der CSU war nie so groß wie heute«, konstatierte er. Da sei »wieder zusammengewachsen, was zusammengehört«. Aber er begriff sogleich, dass jeder Erfolg seinen Preis hat. Einen Preis, der danach oft höher ist als davor. Denn das stolze Ergebnis ist auch Auftrag, nun nicht wieder dahinter zurückzufallen.

 

Wie schwer das ist, hat der CSU-Vorsitzende gerade erst am Ende der Verhandlungen zur Großen Koalition mit der SPD erfahren. Während der wochenlangen Gespräche schien es so, als gebe der frisch gekrönte König aus Bayern auch in Berlin den Ton an. Beizeiten hatte er klar gemacht, dass für seine Partei ein Zusammengehen mit den Grünen nicht in Frage komme. Gegen den Widerstand nicht nur der Sozialdemokraten, sondern auch in der CDU setzte er die PKW-Maut für Ausländer durch. Und er bestand auf drei Ministerien, was zu Lasten der Schwesterpartei ging, denn auch die SPD legte Wert auf solch symbolische Augenhöhe.

 

Am Ende aber war der christsoziale Ertrag dann doch mager. Das wichtige Innenministerium ging verloren; das Entwicklungsressort ist kaum ein Äquivalent dafür. Dem Landwirtschaftsministerium wurde der Verbraucherschutz-Bereich amputiert, dem Verkehrsressort das Bauwesen, und ob die Aufstockung des letzteren mit »digitaler Infrastruktur« angesichts der wenig CSU-affinen IT-Szene tatsächlich ein Gewinn ist, muss sich erst noch zeigen.

 

So hörte sich denn auch Seehofers Eigenlob ziemlich bemüht an: »Ich bin hoch zufrieden, hoch glücklich, meine Partei auch .« Für ihn ist das Verkehrsministerium das eigentliche »Superministerium« und die Entwicklungshilfe das »Außenministerium der CSU«. Andere Partei-Granden sehen das nüchterner. »Wir kommen zwar mit drei Hüten raus – aber die sind deutlich kleiner und schwächer«, ließ sich einer anonym zitieren. Mit allem Muskelspiel konnte Seehofer nicht verbergen, dass die Große Koalition eigentlich auf die CSU gar nicht angewiesen ist, sondern auch ohne die Bayern eine ausreichende Mehrheit zum Regieren hat. Das gilt es zu überspielen, zumal vor der kommende Woche anstehenden Klausur in Kreuth, seit jeher ein schwieriger Popularitätstest für jeden christsozialen Amtsinhaber.

 

Der CSU-Chef muss dort ein Konzept vorlegen, wie nun auch die Kommunalwahlen im März und die Europawahl im Mai zum Erfolg für die bayerische Staatspartei werden. Und dazu fiel ihm nichts Besseres ein als erneutes Backenaufblasen. Erst düpierte er die SPD, indem er die Mindestlohn-Vereinbarung im Koalitionsvertrag faktisch zur Disposition stellte. Dann schürte er einmal mehr die latente Ausländerfeindlichkeit im Land, diesmal gegen Rumänen und Bulgaren wegen drohenden »Missbrauchs der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung«. Seehofer, dessen viel gerühmte Volksverbundenheit sich zunehmend auf vorauseilende Bedienung bayerischer Stammtische reduziert, ist inzwischen jedes Mittel recht, um die Alleinherrschaft der CSU in Bayern abzusichern und die seinige dazu.

 

Dabei gab es einmal eine Zeit, da galt der heute 64-jährige Bauarbeitersohn aus Ingolstadt als einer mit gesunder Distanz zum Politbetrieb. Im Frühjahr 2002 hatte ihn eine Herzmuskelentzündung drei Wochen lang auf die Intensivstation und anschließend Monate ins Sanatorium verbannt. Seine Lehre: »Die Sachen ernst nehmen, daran teilhaben, aber nicht so verbissen sein, dass man daran zugrunde geht.« Die Probe aufs Exempel bestand er gut zwei Jahre später, als er aus Protest gegen Angela Merkels Kopfpauschale in der Krankenversicherung als stellvertretender Unions-Fraktionschef zurücktrat und danach nur noch Ehrenämter im Sozialbereich bekleidete.

 

Doch ein 65,9-Prozent-Erststimmenergebnis bei der Bundestagswahl 2005 war für Seehofer, dem brennender Ehrgeiz nachgesagt wird, Anreiz genug, in politische Spitzenämter zurückzukehren: Landwirtschaftsminister in der ersten Großen Koalition unter Merkel und 2008 schließlich – als Stoibers Stern zu sinken begann und dessen Brutusse Huber und Beckstein schnell scheiterten, weil sie nie gelernt hatten, eigenständige Politik zu betreiben – die bayerischen Spitzenämter. Erst der CSU-Vorsitz und zwei Tage später das Amt des Ministerpräsidenten.

 

Seehofer hatte sich den wechselnden Herrschern in München nie unterworfen, sich nicht in Seilschaften begeben, sondern stets eine gewisse Eigenständigkeit zu bewahren versucht. Er orientierte sich lieber an der Parteibasis, forderte sie freilich auch mit neuen Ideen. Davon ist jetzt wenig mehr geblieben als trickreiches Taktieren zur Machtsicherung.

 (Erschienen in:  Neues Deutschland vom 04. Januar 2014)

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